Allerseelen: die Beziehung geht weiter. – Die Bedeutung der Toten für die Lebenden, der Lebenden für die Toten

Der folgende Beitrag ergänzt einen Post auf meiner EthikPost (https://bit.ly/3pTvJGL) und meinem Methusalem-Blog (https://bit.ly/3Byqj6j) sowie im Rahmen der Facebook-Gruppe „Anthroposophie heute“ mit der Überschrift

„Keine Hierarchie / Von Heiligen auf goldnen Stühlen sitzend / Kein Niedersturz / Verdammter Seelen /
Nur / Nur Liebe“ – Gedanken einer großen Dichterin zu Allerheiligen, Allerseelen und unserer Beziehung zu den Toten
.

Es ist ein Auszug aus dem Rudolf-Steinerschen Band 174, dessen Titel lautet: „Kosmische und menschliche Geschichte, Band V“.

Eine Anmerkung vorab: Wer nicht bewandert ist in der anthroposophischen Nomenklatur und Begrifflichkeit, kann Begriffe wie Ätherleib, Astralleib und andere mehr nachschlagen unter https://bit.ly/31nJxiJ, indem er die entsprechenden Begriffe in das Suchfeld eingibt.

„Wir können, indem wir an das Geheimnis des Todes herantreten, den Tod da betrachten, wo er sich sozusagen noch voll in das unmittelbare Leben hineinstellt. Der Tote selber nimmt ja Abschied von diesem Sinnenleben, er betritt eine neue Sphäre. Aber er bleibt vorhanden in dem Schmerze derer, die er verlassen hat; er bleibt vorhanden in den Gedanken, die in jenen leben, bei denen durch den Toten Gedanken, Empfindungen, Gefühle angeregt werden durften, solange der Tote unter den Lebenden weilte. Und es war nicht nur eine schöne, aus den tiefsten menschlichen Bedürfnissen hervorgehende Sitte, allüberall, wo das menschliche Herz nicht kalt und dürr ist, auch im allgemeinen für die Toten Feste anzusetzen, Totenfeste.
Auch in unsere Zeit ragen sie herein, die Totenfeste, im Allerseelentag der Katholiken, in dem Totenfeste der evangelischen Konfession, und manches andere Totenfest ragt mehr oder weniger individuell auch in unsere Zeit herein. Wer sollte nicht das Gefühl haben, daß in dem Hereinragen dieser Totenfeste selbst eine materialistische Zeit ihren Tribut abträgt an das spirituelle Leben? Selbst wenn der Materialismus die Seelen schon so angefressen hat, daß sie es nur unbewußt tun: auch materialistische Seelen werden davor zurückschrecken, anders als mit vertiefter Seele, mit vertieftem Herzen an dasjenige heranzutreten, was sich mit den üblichen Totenfesten verbindet. Die Toten bleiben in dem, was die noch Lebenden für sie fühlen, empfinden und denken können, im Leben herinnen. Und so können wir auch, wenn wir den Tod im allerengsten Sinne betrachten, diese Betrachtung des Todes noch mitten im Leben beginnen.

Wir wissen ja aus den allgemeinen Betrachtungen, die durch viele Jahre hindurch gepflogen worden sind, daß wir niemals sagen dürfen: Hier steht die physisch-sinnliche Welt, und abgesondert von ihr steht die geistige Welt. – Die physisch-sinnliche Welt reicht in die geistige Welt hinauf, und die geistige Welt reicht in die physisch-sinnliche Welt herunter. Und wenn auch die äußeren Sinne des Menschen die physisch-sinnliche Welt nur im Sinnensein sehen, so ist doch, wie die Luft im groben Sinne sich unmittelbar ausbreitet, der Geist allüberall ausgebreitet und durchwellt und durchwogt alles das, was der Mensch im physischen Leben mit normalen Sinnen eben nur sinnlich sieht. Und diejenigen, die durch die Pforte des Todes hindurchgegangen sind, die in der geistigen Welt sind, ragen herein in unsere sinnliche Welt mit ihren Impulsen und Kräften. So daß wir sagen können: Wenn auch hinter der Schwelle des normalen Bewußtseins das Band liegt, das die im physischen Leibe Lebenden mit den im Geiste lebenden Toten verbindet, so ist dieses Band doch ein reales. Und demjenigen, der in Geisteswissenschaft sich vertieft, muß so manches Rätsel aufgehen, das notwendig gelöst werden muß, um das Leben zu verstehen da, wo es verstanden werden muß nicht vom theoretischen, sondern vom Lebensstandpunkt aus selber, von dem Lebensstandpunkt aus, den nicht nur das Denken, den die Seele in ihrem ganzen Inhalt und in ihrem ganzen Umfange einnimmt.

Versuchen wir uns das, was wir uns ja aus dem gewöhnlichen Leben klarmachen können in Bezug auf den Tod, einmal vorzustellen. Der Tote geht von uns fort. Was sich äußerlich ändert, ist, daß unsere Augen ihn nicht mehr sehen, daß wir unseren Händedruck nicht mehr mit ihm tauschen können, unsere Worte gehen nicht mehr von uns zu ihm, von ihm zu uns. Das, was von seinen Gefühlsströmen als Wärme in unser Herz sich ergossen hat, strömt nicht mehr in der sinnlichen Welt zu uns. Er hat uns während der Zeit, in der wir mit ihm zusammenleben konnten, mit Hilfe seines sinnlichen Leibes, desjenigen, womit er sich umkleidet hat in der physischen Welt, das Bild immer von neuem vorgezaubert, das wir von ihm haben konnten. Die eingetretene Veränderung besteht darin, daß wir nun, wenn die Seele, der wir nahegestanden haben, durch die Pforte des Todes von uns gegangen ist, nicht mehr die Hilfe haben für unsere Verbindung mit dieser Seele, die dadurch bewirkt wird, daß das Bild dieses Menschen mit Hilfe der sinnlichen Impulse, die von ihm ausgehen, in uns erzeugt wird mit alledem, was es wachruft an Empfindungen, Gefühlen, Willensimpulsen, an Liebefähigkeit, an Sympathie und Antipathie. Was von diesem Zeitpunkte an, wo die Seele von uns durch die Pforte des Todes hinweggeschritten ist, in uns weiterlebt, ist das Bild, das nun in uns selber sein muß, das uns innerlich durchdringt. Wenn wir dieses Bild aus der Imagination, als welche es ja fortlebt in unserem Ätherleibe, insbesondere aber im Astralleibe und im Ich — was uns allerdings im normalen Bewußtsein unbewußt bleibt -, wenn wir dieses zum Bewußtsein des physischen Daseins erheben wollen, so müssen wir es von innen heraus erstehen lassen. Das, was wir bewahrt haben in uns von unserem Verhältnis zu dem Toten, müssen wir aus dem innersten Seelengrund, das heißt aus dem Ich und Astralleib ergießen in die Teile unseres Menschenwesens, die uns das Bewußtsein und die Vorstellung erzeugen: in den Ätherleib und physischen Leib.

Als die Seele, die durch die Pforte des Todes gegangen ist, noch bei uns war, erzeugte sie noch das Bild; das Bild strahlte uns von außen an, wir brauchten mit dem, was unsere Seele zu geben hat, nur dem Bild entgegenzukommen. Wenn der Tote von uns gegangen ist, dann sind wir darauf angewiesen, selber dasjenige, was wir von ihm bewahrt haben, in unsere äußere Menschenhülle hineinzugießen, damit der Begriff, die Vorstellung, das Bild von ihm vor unsere Seele treten kann. Uns unterstützt dann nicht mehr – wie bei der Erinnerung an den Bekannten, der noch im Leben auf der Erde weilt – der Gedanke, daß wir diese Erinnerung nicht als einziges haben, daß wir ihn auch noch äußerlich erblicken können.

Das ist für uns eben der gewaltige Einschnitt, daß wir uns von nun an, solange wir nicht selber durch die Pforte des Todes gegangen sind, auf die Erinnerung angewiesen sehen. Diese Erinnerung an unbewußte Kräfte in uns kann ja nimmermehr ausgelöscht werden in unseren tiefen Seelengliedern, im Ich und Astralleib. Und wenn wir des Nachts in den Schlaf hineingehen, wenn aus unserem gewöhnlichen Tagesbewußtsein die Eindrücke der physischen Außenwelt versinken, wenn versinken alle die Gedanken, die wir vom Aufwachen bis zum Einschlafen haben können, dann leuchten auf in dem, was wir in unserem Ich und Astralleibe aus unserem Leibe heraustragen, die Imaginationen, die lichten Bilder derjenigen Persönlichkeiten, mit denen wir verbunden waren und die von uns hinweggegangen sind durch die Pforte des Todes. In dem Teile unseres Wesens, der in uns lebt vom Einschlafen bis zum Aufwachen, da leben die Toten mit uns, wie die Lebendigen der Erde mit uns leben vom Aufwachen bis zum Einschlafen. Unser waches Tagesbewußtsein verdanken wir eben dem Umstand, daß wir mit unserem physischen Leibe, der uns mit dem Ätherleibe zusammen das Tagesbewußtsein vermittelt, durch vier Stadien unserer Erdenentwickelung gegangen sind. Und es entzieht sich uns das nächtliche Bewußtsein aus dem Grunde, weil unser Ich ja erst während der Erdenentwickelung in uns eingezogen ist und der Astralleib erst während der Mondenentwickelung. Was wir erleben können, wenn wir unsere Toten erheben in das Ich und den Astralleib, das werden wir erst in späteren Epochen unserer Erdenentwickelung so erleben wie jetzt das Leben der Lebendigen der Erde, das heißt im normalen, wachen Tagesbewußtsein. Das Ich ist das jüngste Glied, das muß sich erst durchringen zu einem Bewußtsein, welches so Wachbewußtsein sein kann wie das jetzige Tagesbewußtsein, das dadurch errungen, verursacht wird, daß unser Ich und Astralleib verbunden sind mit dem physischen und Ätherleib. Der physische Leib ist durch vier Stadien der Erdenentwickelung gegangen, der Ätherieib ist durch drei Stadien gegangen, der Astraleib aber nur durch zwei Stadien, und das Ich ist erst durch ein Stadium gegangen.

So ruhen diejenigen, die Geister geworden sind, die unverkörperte Seelen geworden sind, in dem Elemente, das wir selbst durchleben während unseres Schlafes. Aber in unser Tagesbewußtsein herein können wir sie nurmehr aus unseren Erinnerungen zur Vorstellung bringen.

Es ist ja eine andere Kraft, die da bewirkt, daß ein geistiger Impuls in uns lebt, und eine andere Kraft, die bewirkt, daß ein solcher geistiger Impuls in uns zum Bewußtsein kommt. Die Eindrücke auf unsere Sinne entstehen dadurch, daß sie von außen auch in den physischen Leib und den Ätherleib einfließen können. Für dasjenige aber, was im Ich und Astralleibe nur sein kann, hat unsere jetzige normale Entwickelung noch nicht genügend Kraft, es so in den Ätherleib und physischen Leib hinein zu drängen und zu pressen, daß es für uns Vorstellung wird. Dennoch ist eine Verbindung tief geistiger Art vorhanden. Denn gerade in den zartesten Gliedern unserer Wesenheit sind wir unzertrennlich verbunden mit den sogenannten Toten. Für diese Verbindung bildet der äußere Tod keinen Einschnitt, kaum eine Umwandlung.

In diesen zarten Gliedern, in dem Ich und Astralleibe, da leben die Toten so wie die Lebendigen, da leben diejenigen, die aus unseren Reihen heraus Geisteswesen geworden sind. Blicken wir ihnen nach mit den Mitteln der Erkenntnis, die wir haben gewinnen können im Laufe des Lebens. Es ist ja hier öfter betont worden, wie ganz andersartig das Verhältnis eines Wesens überhaupt, also auch eines Menschenwesens, ist zu seiner Umgebung, wenn dieses Wesen nicht wie wir in der physischen Welt einen physischen Leib oder einen Ätherleib hat. Wenn derjenige, der durch die Pforte der Initiation gegangen ist, für seine Erkenntnis den physischen und den Ätherleib verläßt, dann lebt er in seiner geistigen Umgebung; so lebt er darin, wie auch der Tote darinnen lebt. Und ich habe es öfter betonen müssen, wie ganz andersartig das Verhältnis zu der geistigen Welt ist, welcher der Wahrnehmende dann selbst angehört, wenn er ein entkörpertes Menschenwesen ist oder ein Wesen der Hierarchien oder ein Wesen der elementaren Welt. Wir haben betonen müssen, daß wir selbst die Worte anders wählen müssen, die andeuten sollen, wie dann das Verhältnis ist des geistigen Wesens zu seiner Umgebung gegenüber dem Verhältnis eines im physischen Leibe verkörperten Wesens zu seiner Umgebung.

Hier in der physischen Welt machen die Dinge und Wesenheiten der Außenwelt auf uns einen Eindruck. Wir stehen da, die Wesenheiten stehen außer uns. Das, was sie ausstrahlen, zieht durch unsere Sinne in unsere Seele hinein. Und wir sagen, indem wir ein Bewußtsein davon haben: Wir stehen hier eingeschlossen in die Grenzen des Leibes. Die anderen Wesen stellen wir vor; wir nehmen sie wahr. — Wenn wir in die geistige Welt hineinkommen, müssen wir schon das Wort anders wählen: Als geistiges Wesen werden wir wahrgenommen von den anderen geistigen Wesen. Tiere nehmen wir wahr, insofern sie sinnliche Verkörperungen sind, Pflanzen nehmen wir wahr, die Menschen nehmen wir wahr. Indem wir nun selbst in die geistige Welt hineingehen, werden wir wahrgenommen von den Wesen der Angeloi, der Archangeloi, der Archai und so weiter. Und während wir hier sagen: Wir sehen die Pflanzen, die Tiere, die Menschen -, haben wir zu sagen, wenn wir in die geistige Welt eintreten: Wir erleben in uns etwas, und dieses Erleben bedeutet, die Geistesaugen eines anderen Wesens ruhen auf uns. Wir werden wahrgenommen. – Dieses Wahrgenommenwerden, dieses Wissen, daß auf uns geschaut wird, das unterscheidet unser Leben in der geistigen Welt von dem Leben in der physischen Welt. Die Worte schon müssen, wenn man im eigentlichen Sinne spricht, umgewandelt werden, denn es ist alles ganz anders in der geistigen Welt. Und um es figürlich und doch wiederum mehr als figürlich auszudrücken:
Wenn ein Wesen durch die Pforte des Todes oder auf eine andere Art in die geistige Welt aus der sinnlichen Welt eintritt, muß es sich daran gewöhnen, sich zu sagen: Du bist ein Ich, aber ein Ich, das nicht isoliert in der Welt lebt, das innerlich immer wiederum etwas erlebt, so wie es etwa die Erinnerungsvorstellungen erlebt hat, die aus dem Untergrunde der Seele herauf tauchen. Aber jetzt weißt du: Was da auftaucht, sind die in dich hineingetretenen Vorstellungen, Gedanken, Empfindungen der anderen Wesen, die mit dir in der geistigen Welt zusammenleben. — So wie von außen in uns hereintreten die Eindrücke, die wir von der Sinnenwelt, von den Sinneswesen bekommen, so treten in unserem Inneren die Vorstellungen und Empfindungen von Wesen auf, die in der geistigen Welt sind. Aber wir wissen, diese Vorstellungen und Empfindungen, die in uns auftreten aus dem dann für uns wesentlichen Inneren, die rühren her von geistigen Wesen, die mit uns sind. Da sind wir in der geistigen Welt, da tritt in uns eine Vorstellung auf, die Vorstellung eines Wesens, das wir lieben müssen, eines Wesens, das uns die Anregung gibt, dies oder jenes in der geistigen Welt zu vollbringen.

Woher rührt diese Vorstellung, wie kommt es, daß sie in uns auftritt, wie hier die Erinnerungen? Das rührt davon her: Ein anderes Wesen, ein Wesen der geistigen Welt hat sich uns genähert. Wir schauen es nicht von außen an, wir wissen, daß es da ist, weil es das, was in ihm lebt, in uns hineinsendet. Wir werden vorgestellt, wir werden wahrgenommen, so müßten wir sprechen gegenüber dem, was in der geistigen Welt lebt. Dadurch wird das Erleben in der geistigen Welt nicht etwa abstrakter, nebelhafter, damit wird es nur um so lebendiger. Es wird so lebendig, was wir in der geistigen Welt erleben, wie nur lebendig sein kann das, was wir in der physischen Welt in unserer unmittelbaren Umgebung gegenwärtig haben. So müssen wir uns bekanntmachen mit dem ganz andersartigen Zusammenleben mit den Wesen, die in der geistigen Welt sind.

Und nun blicken wir von diesem Gesichtspunkte aus nach jenen, die durch die Pforte des Todes gegangen sind. Sie treten ein in die Welt, von der sie sagen müssen: Ich lerne immer mehr kennen, wie ich wahrgenommen werde, wie in mich ihre Vorstellungen, Empfindungen und Gefühle hineinsenden die entkörperten Menschen, die Elementarwesen, die Wesen aus der Hierarchie der Angeloi, der Archangeloi. Alle diese Wesen leben in mir. – Und wir blicken hinauf zu einem solchen Toten, und wir ahnen: So wie uns ein Mensch hier in der Sinnenwelt entgegentritt und wir durch seine Haut das Blut erahnen, wir in seinen Zügen die Arbeit seiner Nerven erahnen, so erahnen wir, indem wir den geistigen, den entkörperten Menschen schauen, wie durch das, was von uns erlebt wird an ihm, die Gedanken, die Empfindungen der Angeloi, der Archangeloi, der Archai wirken.

Hier in der physischen Welt tritt uns der physische Mensch entgegen. Er hat durch seine Seele und seine Entwickelung das tierische, pflanzliche und mineralische Sein geadelt. Aber dieses tierische, pflanzliche und mineralische Sein, es tritt uns in ihm dennoch entgegen.

Wenn uns ein Mensch hier im physischen Dasein entgegentritt: tief verborgen in seinem Inneren und leuchtend durch die Leibeshülle ist sein Seelisch- Geistiges. Doch das, was von seinen Impulsen in unser Auge hineinstrahlt, das, was in der Sinnenwelt auf uns wirkt, ist durchsetzt mit der bis zum Menschentum veredelten tierischen Natur; es tritt uns im Menschen die Tierheit geadelt entgegen,aber doch die Tierheit. Auch die Pflanzenwelt und das Mineralische, sie treten uns entgegen im Menschen.

Wir wissen: Die Reiche der Natur leben im Menschen auf einer höheren Stufe. Und würde das Mineralreich nicht im Menschen leben, so würde uns niemals an der Stelle, wo uns der Mensch entgegentritt im Physischen, wirklich ein Mensch entgegentreten können, denn nur durch das, was er an Mineralischem in sich schließt, kann er ja einen Eindruck in uns hervorrufen. Stehen wir als Geist einem geistigen Wesen gegenüber, so blicken wir – wie wir hier bei dem physischen Menschen die Tierheit sehen – bei dem geistigen Menschen in der geistigen Welt auf dasjenige, was in ihn, in diesen geistigen Menschen hineinströmen lassen an Empfindungen, an Gedanken, seelenhaft die Angeloi.

Es ist herunterorganisiert bis zum Menschenleibe, was die Angeloi erleben. So wie hinauforganisiert ist die Tierheit in dem Menschen, so ist herunterorganisiert in der geistigen Welt dasjenige, was die Angeloi durchzuckt im Seelenleben des Menschen. Und wie hinauf organisiert ist das Pflanzenreich im Menschen, so ist herunterorganisiert in der geistigen Gestalt des Menschen dasjenige, was die Archangeloi in ihn hineinströmen lassen. Und ebenso wie das Mineralreich im sinnlichen Menschen in uns aufglänzt und dadurch der sinnliche Mensch in uns wahrnehmbar wird, so ist dasjenige, was uns als geistiger Mensch in der geistigen Welt entgegentritt, dadurch eine in sich geschlossene Imagination, daß die Archai das, was sie an formgebender Kraft, an bildender, gestaltender Kraft haben, hineingießen in den Menschen.

So wie die drei Naturreiche hier den physischen Menschen durchsetzen, so durchsetzen die Angeloi, Archangeloi und Archai den Geist des Menschen in der geistigen Welt.

Wenn dann der Mensch durch die Pforte des Todes gegangen ist, so ist er ja — mit Ausnahme der allerersten Zeit — durch lange Zeiten verbunden mit seinem Astralleib und mit seinem Ich. Aber so, wie er da nun ist der Mensch in der geistigen Welt und von der Erde sich bewahrt das Ich und den Astralleib, so können in ihn zunächst hereinwirken, so daß sie ihn eigentlich wahrnehmbar machen, die Geister der Form und diejenigen Geister, die wir kennenlernen als die Angehörigen der Hierarchie der Archai. So wie das eigentliche Mineralreich den Menschen hier sichtbar und fühlbar macht, so macht das Reich der Archai und Geister der Form den Menschen zum festgeschlossenen Wesen in der geistigen Welt. Und so wie das Pflanzliche schon nicht mehr geschaut wird, sondern wie es hier in der physischen Welt im Menschen nur erahnt wird, so wird erahnt in der festgeschlossenen Gestalt des Menschen in der geistigen Welt dasjenige, was die Hierarchien in ihn einströmen lassen. So wie das Tier im Menschen uns hier nicht mehr tierisch entgegentritt, und nur die Geisteswissenschaft darauf aufmerksam macht, inwiefern die Tierheit einen Anteil hat am Menschen, so erkennt man in der geistigen Welt zunächst auch nicht den etwas verborgen bleibenden Anteil der Angeloi, der noch stark ist, solange der Mensch den Ätherleib nicht abgelegt hat. Der verborgene Anteil der Angeloi bleibt, aber er kommt weniger zum Ausdruck, wenn man die Geistgestalt des Menschen in der geistigen Welt sieht. So begegnet uns in der Tat der Tote, wenn wir nach einiger Zeit zu ihm in Beziehung treten, so daß wir sagen können: Er ist es; aber das, was ihm die festgeschlossene Wesenheit gibt, das ist die Art und Weise, wie in ihn hineinwirken die Geister der Form. Und was noch stark erahnt werden kann an ihm, das sind die Geister der Persönlichkeit. –

So gleichsam von oben, von den Hierarchien her organisiert, tritt uns dann der Tote entgegen, wie uns hier das Physische, durchorganisiert von der mineralischen Welt, entgegentritt.Wenn wir nun von einer Menschenseele verlassen worden sind, dadurch daß sie durch die Pforte des Todes gegangen ist, dann bewahren wir hier im Rahmen unseres physischen Bewußtseins das Erinnerungsbild.

Alles das, was uns teuer ist an dem Toten, bewahren wir in uns. Das ist eine andere Erinnerung, als die Erinnerungen sind, die wir sonst im äußeren Leben haben. Denken Sie nur, wie unsere anderen Erinnerungen sind. Was sind sie denn? Sie sind Gedanken über etwas, was nicht mehr da ist, denn dadurch sind sie gerade Erinnerungen.

Dasjenige, an das wir uns erinnern, das ist nicht da, es geschieht nicht in dem Augenblicke, in dem wir uns erinnern. Der Inhalt unserer Erinnerungsvorstellungen ist nicht da, wirkt jetzt nicht. Wenn wir uns desjenigen erinnern, was das Wesen einer Seele ist, die uns verbunden war und die durch die Pforte des Todes gegangen ist, dann haben wir den Gedanken an diesen Toten; aber er selbst, der Tote, ist da, ist in unmittelbarer Gegenwart da, ist ein reales Wesen der geistigen Welt. Da haben wir nicht bloß eine Erinnerungsvorstellung, da haben wir eine Vorstellung in der Seele, die zwar auch eine Erinnerungsvorstellung ist, der aber ein reales geistiges Wesen entspricht. In uns lebt die Vorstellung, und draußen in der geistigen Welt lebt der Tote. Das Wesen ist da, und die Vorstellung ist da. In uns also, wenn wir verehrend dem Toten nachblicken, wenn wir in treuem Gedenken dasjenige in uns gegenwärtig machen, was der Tote uns war, in unserem Wachbewußtsein tritt die Imagination, tritt das Bild des Toten auf. Da ist es. Was heißt das? Das heißt: es ist da in einem lebendig tätigen Prozeß in unserem physischen und Ätherleibe.

In unserem physischen und in unserem Ätherleibe stellen wir für das andere Leben, das nicht gewidmet ist der Erinnerung an teure Tote, das vor, kombinieren in unseren Gedanken dasjenige, was in der physischen Welt ist. Rufen wir das Bild, das Gedanken- oder Empfindungsbild oder das Gefühlsbild des Toten in uns hervor, dann lebt für dieses Bild in unmittelbarer Gegenwart ein Wesen, durch das blicken, ihre Vorstellungen in ihm verbindend, Engel und Erzengel. Bedenken Sie, wenn wir die Gedanken, die Empfindungen auf liebe Tote hinrichten, da ist mehr, viel mehr vorhanden, als im gewöhnlichen normalen Zusammenleben vorhanden ist an Beziehungen zwischen der geistigen und der sinnlichen Welt. Da ist etwas vorhanden, was auch, ich möchte sagen, nicht vorhanden sein könnte. Und eine Frage richtet sich auf vor dem Geistesforscher: Was bedeutet nun für die Toten die Tatsache, daß wir leben in der Welt, die sie verlassen haben, in dem Reiche, dessen Hülle sie abgelegt haben, was bedeutet für diese Toten, die da leben, der Umstand, daß wir in unserem Wachbewußtsein, das heißt im physischen und Ätherleibe das, was uns mit ihnen verbindet, hervorrufen? Für den Geistesforscher entsteht diese Frage, eine Frage, die scheinbar recht intimer Natur ist, die aber, wenn der Geistesforscher sie löst, ich glaube, viele Lichter wirft auf die Geheimnisse des Lebens.

Denn wir können diese Frage noch anders, von dem Gesichtspunkte des unmittelbaren Lebens aus stellen, des Lebens, das allerdings nicht immer vorhanden ist, das aber die Menschen dennoch suchen auf die Art, wie ich es vorhin angedeutet habe. Stellen wir die Frage so: Was bedeutet es denn eigentlich für die gesamte Realität, wenn an einem Totengedenktage, am Allerseelentage oder einem anderen Totenfesttage, die Seelen der Menschen, die hier auf Erden in ihren Leibeshüllen leben, nach den Gräbern gehen oder in Gedanken sich mit ihren Toten vereinigen? Was bedeutet es, wenn wir uns selber unsere Erinnerungstage oder Erinnerungsstunden an die Toten machen? Wenn wir ihnen in unserem Sinne vorlesen? Wenn wir etwas tun, um uns mit ihnen zu vereinigen und besonders das lebendig zu machen, was uns mit ihnen dauernd verbindet? Mit anderen Worten jetzt: Was bedeutet es, wenn wir uns im Wachbewußtsein das wach rufen, was uns mit den Toten verbindet? – So kann auch diese Frage vor das Bewußtsein des Geistesforschers hintreten.

Da muß er es ausdrücken durch etwas anderes, was sich ihm nun aus der Geistesforschung heraus ergibt. Man kann gerade die wichtigsten Tatsachen der geistigen Welt im Grunde nur bildlich ausdrücken. Man muß nach Vergleichen suchen, wenn man die Dinge der geistigen Welt ausdrücken will. Denn für das gewöhnliche Leben sind ja unsere Worte geprägt, für die physische Welt, und so unmittelbar mit den Worten der physischen Welt können wir nicht sprechen über die geistige Welt, wenn wir ihre Tatsachen ausdrücken wollen. Wir müssen versuchen, auf dem Umweg eines Vergleichs in unseren Seelen solche Vorstellungen wachzurufen, welche uns das gegenwärtig machen, was wir uns vorstellen wollen über die geistige Welt. Und es bietet sich dem Geistesforscher etwas hier in der physischen Welt, wodurch er eine Vorstellung hervorrufen kann von dem, was eben wie eine Frage vor uns aufgetaucht ist. Wir finden hier in der physischen Welt etwas, das, ohne daß der äußere, der Naturprozeß der sinnlichen Welt gestört würde, auch nicht da sein könnte, das aber doch diejenigen Menschen nicht missen möchten, die das Leben in seiner Gänze durchzuleben streben. Was ist es, was wir hier in der physisch-sinnlichen Welt finden, was nicht zum fortlaufenden Naturprozeß gehört, was wir aber nicht missen möchten? Nun, wenn wir uns von dem, was da ist und was sich auf das Natürliche bezieht, Bilder machen, seien es künstlerische Bilder, seien es solche, wie sie in neuerer Zeit durch die äußere Photographie hervorgerufen werden, so ist das, was uns so in Bildern der physisch-sinnlichen Welt von Wesen, die dieser Welt angehören, entgegentritt, etwas, das zu dem Naturprozeß hinzukommt; der Naturprozeß würde auch ohne sie sein können.

Versuchen Sie einmal, sich das recht vorzustellen, wie das Leben bereichert wird dadurch, daß wir uns Bilder machen von dem, was sonst im Naturprozeß da ist. Wie sehr lechzen wir danach, außer dem Naturprozeß noch die Kunst in unserer Welt zu haben. Wie sehr wollen wir von irgend etwas, was erlebt worden ist, ein Bild haben! Der Weltenlauf könnte auch ohne das weitergehen. Ein Wesen bleibt, was es ist, auch wenn wir kein Bild davon haben, aber wir brauchen in gewissem Sinne ein Bild. An dieses nun wird der Geistesforscher erinnert, wenn er sich Vorstellungen machen muß über das, was die Toten dadurch haben, daß die Lebendigen sie in ihrer Seele aufleben lassen.

Das, was der dem Naturprozeß entsprechende Geistesprozeß ist, auf den die Toten, also die geistigen Wesen hinblicken, das wäre da, auch wenn nicht in den Seelen der Menschen die teuren Erinnerungen auflebten. Aber öde und leer wäre dann für die Toten, für diese geistigen Wesen der fortlaufende Geistesprozeß, so wie wir Leere empfinden würden, wenn wir nur den Naturprozeß um uns hätten, und nichts von Bildlichem hineingestellt wäre in das Menschenleben, in den Naturprozeß.

Wahrhaftig, man kann folgenden Vergleich ziehen: Wenn eine teure Freundin, ein teurer Freund lange von Ihnen abwesend waren, Sie liebend ihrer gedenken und sie nicht sehen können, und nun schicken Ihnen diese ein Bild, so ist Ihnen dieses Bild lieb. Es ist etwas, was Ihr Herz mit Wärme erfüllt, etwas, was Sie brauchen. So wie Ihnen das Bild teuer sein muß, so sind die Gedanken an die teuren Toten, die im wachen Tagesbewußtsein der Menschen leben, für diese Toten, wenn sie herunterschauen auf die Welt, die sie sonst nur als fortlaufenden Geistesprozeß empfinden, den sie aber nun durchsetzt fühlen von dem, was nicht da sein könnte und doch da sein muß – in dem einen oder anderen Sinn sind die Worte zu nehmen -, wenn sie das, was fortlaufender Geistesprozeß ist, mit dem durchsetzt fühlen, was ihnen aus den Seelen, die hier geblieben sind, hinaufgestrahlt wird, etwa wie ein Bild eines lieben Menschen. Darum kann man sagen: Wenn man auf einen Friedhof geht, am Totensonntag oder am Allerseelentag, und dort viele Menschen sieht, die in dieser Zeit erfüllt sind von dem Bilde ihrer teuren Toten, und man blickt dann hinauf in die Seelen derer, an die da erinnert wird, dann sind das die Dome, die Kunstwerke für diese Toten. Dann durchleuchtet das, was ihnen da von der Erde hinaufstrahlt, für diese Toten die Welt wie ein herrlicher Dom, der uns Geheimnisse kündet, uns die Welt durchleuchtet, oder wie ein Bild, das uns lieb und wert ist, einen lieben Menschen vergegenwärtigt. Öde und leer wäre für die Toten die Welt, in die sie immerdar blicken müssen; von ihrem Gesichtspunkte aus wäre diese Welt der Erde öde und leer, wenn sie herunterblicken würden, und in den Seelen der hier auf Erden Lebenden nicht das zu ihnen hinauf blickte, was ja auch nicht sein kann, und doch sein muß: die Gedanken, welche die auf der Erde Lebenden mit den geistig Lebenden, den Toten, verbinden.

Ein tief ergreifender Gegensatz kündet sich uns da an, zwischen dem Erdenleben und dem Leben im Geiste. Wir müssen, um das Erdenleben zu erhöhen, dasjenige, was nicht ist, im Bilde zum Erdenleben hinzufügen für die auf der Erde Lebenden. Eine von allem Bildlichen entblößte Erde, eine bloße Naturerde, wie öde, wie leer wäre sie! Und jetzt erheben wir uns zu dem Standpunkt der Toten. Sie würden den fortlaufenden Geistesprozeß wahrnehmen, aber öde und leer wäre er für sie, so öde und leer wie das bildlose Naturdasein für die Erdenkinder, wenn die Erinnerungen an die Toten nicht lebendig wären, wenn das treue Gedenken nicht wach wäre in den Wachbewußtseinen, wenn innerhalb des fortlaufenden Geistesprozesses nicht die Gedanken wären, die für die geistige Welt gleich Kunstwerken sind, insofern sie schöne Gedanken sind, und nicht verwoben sind dem Erdenprozeß, sondern hingerichtet werden auf die nicht mehr im Erdenprozeß Lebenden. Und was hier auf der Erde ein Kunstwerk zum Kunstwerk macht, was seine Schönheit erhöht, es ist ja etwas, was in viel geringerem Sinne mit dem menschlichen Innersten zusammenhängt als das, was unsere Gedanken an die Toten für die geistige Welt sind. Denn auch in der geistigen Welt gibt es in diesem Sinne eine Schönheit, eine wirkliche, echte Schönheit. Sie entsteht aber nicht in dem gleichen Maße durch Äußerlichkeit, wie sie doch vielfach hier in der physischen Welt durch Äußerlichkeit in dem Bilde entsteht. Daß die Gemälde von Raffael, von Leonardo, von Dürer schöner sind als andere, rührt davon her, daß diese Meister eben mehr konnten als andere Meister. Daß ein Toter ein schöneres Kunstwerk – analogisch gesprochen – von der Erde hinauf sich entgegenstrahlen fühlt, das rührt her von der Tiefe der Innerlichkeit, von dem heiligen geistigen Gefühl der Erinnerung, die wir an ihn fortdauernd hegen. Die Stärke der Empfindung für die Toten greift ein in unser Seelenleben und vertieft es im Anblick der Toten selber. Dies macht unsere Seele schöner und schöner.

Verfolgen Sie diesen Gedanken in Ihrer eigenen Seele, meine lieben Freunde, und Sie werden durch diese Vertiefung manches sich ermeditieren, was Ihnen Aufschluß geben kann über den Zusammenhang zwischen der geistigen und der sinnlichen Welt und über das spezielle Kapitel der geistigen Welt, in der die Toten leben, und der sinnlichen Welt, in der die Erdenmenschen leben. Wir werden andere Betrachtungen aufbauen, die uns in weitere Kreise der geistigen Welt einführen können, nach diesem ersten Kapitel, das wir heute durchgearbeitet haben.“

Hinterlasse einen Kommentar