In meinem 4. Video zu Faust I mit dem Titel
I,4 Faust: Über das Dilemma asymmetrischer Beziehungen. – Ist Liebe wirklich meistens Illusion?
steht das sogenannte Religionsgespräch im Mittelpunkt, in dessen Rahmen die nur scheinbar unbedarfte und ach so wenig gebildete Margarete Faust klipp und klar mit ihrer Ansicht konfrontiert, dass er kein Christentum habe. Faust zieht alle rhetorischen Register, schwallt wie der ein oder andere christlich-hohle Pfarrer daher (es trifft keineswegs auf alle zu) und schreckt auch vor – man möchte es so hart formulieren – Lügen nicht zurück, insbesondere der – obwohl er es besser weiß, ist er doch immerhin Wissenschaftler –, dass Gefühl alles sei.
Das folgende Zitat aus Rudolf Steiners „Philosophie der Freiheit“ erfordert höchste Konzentration, um zu verstehen was der Begründer der Anthroposophie vermitteln möchte. Ich kenne niemanden, der so deutlich einen Zusammenhang zwischen der Liebe und dem Denken herstellt wie ebenfalls eine Verbindung zwischen Fühlen und Denken. Deutlich wird, dass ehrlicher Intellekt und Denken eines der wertvollsten Göttergeschenke an uns sind und dass in keiner Weise richtig sein kann, dass Gefühl alles sei.
Das Video findet sich unter dem folgenden Link: https://youtu.be/0oFX67e1mOg
Hier nun der Auszug:
Keine andere menschliche Seelenbetätigung wird so leicht zu verkennen sein wie das Denken. Das Wollen, das Fühlen, sie erwarmen die Menschenseele auch noch im Nacherleben ihres Ursprungszustandes.
Das Denken läßt nur allzu leicht in diesem Nacherleben kalt; es scheint das Seelenleben auszutrocknen. Doch dies ist eben nur der stark sich geltend machende Schatten seiner lichtdurchwobenen, warm in die Welterscheinungen untertauchenden Wirklichkeit.
Dieses Untertauchen geschieht mit einer in der Denkbetätigung selbst dahinfließenden Kraft, welche Kraft der Liebe in geistiger Art ist. Man darf nicht einwendend sagen, wer so Liebe im tätigen Denken sieht, der verlegt ein Gefühl, die Liebe, in dasselbe. Denn dieser Einwand ist in Wahrheit eine Bestätigung des hier geltend Gemachten.
Wer nämlich zum wesenhaften Denken sich hinwendet, der findet in demselben sowohl Gefühl wie Willen, die letztern auch in den Tiefen ihrer Wirklichkeit;
wer von dem Denken sich ab- und nur dem «bloßen» Fühlen und Wollen zuwendet, der verliert aus diesen die wahre Wirklichkeit.
Wer im Denken intuitiv erleben will, der wird auch dem gefühlsmäßigen und willensartigen Erleben gerecht; nicht aber kann gerecht sein gegen die intuitiv-denkerische Durchdringung des Daseins die Gefühlsmystik und die Willensmetaphysik. Die letztern werden nur allzu leicht zu dem Urteil kommen, daß sie im Wirklichen stehen; der intuitiv Denkende aber gefühllos und wirklichkeitsfremd in «abstrakten Gedanken» ein schattenhaftes, kaltes Weltbild formt.
Letzteres ist gerade eben nicht der Fall.